QSolid – auf dem Weg zum ersten deutschen Quantencomputer

Jülich, 9. März 2022 – Der Bau eines kompletten Quantenrechners basierend auf Spitzentechnologie aus Deutschland, das ist das Ziel des Verbundprojekts QSolid mit einem Budget von 76,3 Millionen Euro für die nächsten fünf Jahre, das jetzt startete und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Der Fokus liegt dabei auf Quantenbits, kurz Qubits, sehr hoher Qualität, die eine geringe Fehlerrate aufweisen. Der Quantencomputer soll bereits frühzeitig in die Supercomputer-Infrastruktur am Forschungszentrum Jülich eingebunden werden und über mehrere supraleitende Quantenprozessoren der nächsten Generation verfügen, darunter ein „Moonshot“-System, das klassischen Computern hinsichtlich der Rechenleistung nachweislich überlegen ist. Ein erster Demonstrator soll ab Mitte 2024 in Betrieb gehen und Tests von Anwendungen sowie Benchmarks für Industriestandards ermöglichen.

Quantencomputer
Kryogenischer Aufbau und Ansteuerung eines supraleitenden Quantencomputers am Forschungszentrum Jülich
Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau

Quantencomputer versprechen Durchbrüche im Bereich der Material- und Wirkstoffentwicklung oder bei der Optimierung der Verkehrssteuerung. Zukünftig könnten sie herkömmlichen Superrechnern bei bestimmten Aufgaben weit überlegen sein. Die Technologie steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Die Entwicklung eines praktisch nutzbaren Quantencomputers ist mit enormen Herausforderungen verbunden, bietet aber auch die Chance, frühzeitig industrielle Standards zu setzen und geistige Eigentumsrechte zu sichern.

Industrielle Anwendungen im Blick

Um die Kommerzialisierung vorzubereiten, haben sich 25 führende deutsche Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Verbundprojekt QSolid zusammengeschlossen. Das Forschungskonsortium ist das größte dieser Art in Deutschland und wird vom Forschungszentrum Jülich koordiniert. Gemeinsam wollen die Partner ein umfassendes Ökosystem für einen Demonstrator auf Basis supraleitender Qubits entwickeln, der über die Jülicher Quantencomputer-Infrastruktur JUNIQ externen Nutzern zugänglich gemacht und auf deren Bedürfnisse zugeschnitten werden soll.

Quantencomputer mit vielfältigen Prozessoren

Vorgesehen ist ein System, das verschiedene Quantenprozessoren enthält, die auf supraleitenden Schaltkreisen der nächsten Generation mit reduzierter Fehlerrate beruhen. Der Ansatz gilt als weltweit führend und wird unter anderem auch von Google, IBM und Intel verfolgt. Die Multiprozessor-Maschine am Forschungszentrum Jülich soll mindestens drei unterschiedliche Quantenchips parallel betreiben: ein „Moonshot-System“, dessen Rechenleistung die klassischer Superrechner übertrifft, ein anwendungsspezifisch designtes System, das bereits für industriell nützliche Quantenberechnungen geeignet ist, sowie eine Benchmarking-Plattform, die vorrangig auf die Entwicklung digitaler Zwillinge und industrieller Standards ausgerichtet ist.

Konzentration auf Qubit-Qualität

„Der Fokus liegt auf der Verbesserung der Qualität der Quantenbits, die wir in QSolid auf allen Ebenen vorantreiben“, erklärt Projektkoordinator Prof. Frank Wilhelm-Mauch vom Forschungszentrum Jülich. Die Fehleranfälligkeit der Quantenbits, kurz Qubits, gilt als Knackpunkt bei der Quantencomputer-Entwicklung. Die Quantenzustände, die zur Speicherung der Quanteninformation genutzt werden, reagieren äußerst empfindlich auf äußere Einflüsse. Oftmals werden sie gestört, bevor alle Rechenoperationen abgeschlossen sind.

Prof. Frank Wilhelm-Mauch
QSolid-Projektkoordinator Prof. Frank Wilhelm-Mauch vom Forschungszentrum Jülich
Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau

„Die Optimierungen, die uns vorschweben, fangen bei besonders fehlerarmen supraleitenden Schaltungen der nächsten Generation an, die wir unter anderem durch hochpräzise Fertigungsmethoden und neue Materialsysteme erreichen wollen. Entscheidend sind aber auch die optimale Kontrolle der Quantenbits sowie hochmoderne Fehlervermeidungsverfahren mittels künstlicher Intelligenz (KI) auf Firmware-Level, wo wir mit QSolid neue Maßstäbe setzen wollen“, erläutert Frank Wilhelm-Mauch.

Netzwerk an Forschungseinrichtungen

Um das große Ziel eines eigenständigen Quantencomputers aus deutscher Herstellung zu erreichen, führt QSolid Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Startups aus Deutschland zusammen. 7 Institutsbereiche des Jülicher Peter Grünberg Instituts bringen ihre Expertise in das Projekt ein, neben dem Jülich Supercomputing Centre (JSC) sowie dem Zentralinstitut für Engineering, Elektronik und Analytik (ZEA-2) und der Ausgründung Qruise des Forschungszentrums Jülich, die ebenfalls wichtige Aufgaben übernehmen. Wertvolles Fachwissen steuern weitere Forschungspartner bei, zu denen die Fraunhofer-Institute IPMS und ASSID IZM, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Leibniz-IHPT in Jena, die Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, das CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik sowie die Universitäten in Ulm, Stuttgart, Berlin (FU Berlin), Konstanz, Köln und Düsseldorf gehören.

Aufbau einer nationalen Lieferkette

Zahlreiche Hersteller und Startups beteiligen sich am Aufbau einer nationalen Entwicklungs- und Lieferkette. ParityQC, HQS, Rosenberger HF-Technik, IQM, supracon, ParTec, Racyics, AdMOS, LPKF Laser & Electronics, Atotech, Atos science+computing ag, Globalfoundries und Zurich Instruments Germany sind als Projektpartner involviert und erhalten so schon früh die Möglichkeit, erste industrielle Standards zu setzen und Nutzungspotenziale zu erschließen.

Quanten-Infrastruktur am Forschungszentrum Jülich

Beim Aufbau der supraleitenden Quantenarchitektur profitiert QSolid unter anderem von der Erfahrung von Prof. Rami Barends, der im Herbst letzten Jahres aus dem Forschungsteam von Google ans Forschungszentrum Jülich gewechselt ist. Die Fertigung der Quantenprozessoren der nächsten Generation wird zu großen Teilen in der Helmholtz Nano Facility am Forschungszentrum Jülich erfolgen. Der 1.000 Quadratmeter große Reinraumkomplex der Helmholtz-Gemeinschaft ist mit hochmodernen Anlagen für die Herstellung und Charakterisierung von Quantenbauelementen ausgestattet; bis 2025 wird dieser noch ergänzt werden durch das Helmholtz-Quantum Center (HQC), eine Laborinfrastruktur, die speziell für das Quantencomputing ausgelegt ist.

Erste Systeme ab 2024

Erste Vorläufer der geplanten Demonstratoren in QSolid werden am Leibniz-IHPT in Jena produziert und bereits für das Jahr 2024 erwartet. Das IHPT verfügt bereits über eine bestehende Fertigungslinie für supraleitende Schaltungen, die im Rahmen des Projekts zu einer Pilotlinie für supraleitende Quantenschaltkreise ausgebaut werden soll.

Wichtige Vorarbeiten zum Erreichen der Projektziele wurden bereits geleistet. Ergebnisse des europäischen Flaggschiffprojekts OpenSuperQ sowie der 2021 gestarteten Verbundprojekte DAQC und GeQcos fließen in die Arbeiten von QSolid ein.

Projektsteckbrief QSolid

Projekttitel

QSolid (Quantum computer in the solid state – Quantencomputer im Festkörper)

Projektlaufzeit

Januar 2022 - Dezember 2026

Budget

76,3 Mio. € (zu 89,8 % durch das BMBF gefördert)

Koordination

Forschungszentrum Jülich, Prof. Dr. Frank Wilhelm-Mauch

Projektpartner

 

Website

http://www.q-solid.de/

Twitter

https://twitter.com/QSolid_DE

Forschungszentrum Jülich (PGI-12-, PGI-2, PGI-8, PGI-11, PGI-13, PGI-3, PGI-9, JSC, ZEA-2)

Qruise

Fraunhofer-Gesellschaft (IPMS, IZM-ASSID)

Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Leibniz-Institut für Photonische Technologien (IPHT)

Parity Quantum Computing Germany

HQS Quantum Simulations
Rosenberger Hochfrequenztechnik

Universität Ulm

Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)

Universität Stuttgart

Freie Universität Berlin

IQM Germany

Universität Konstanz

Universität zu Köln

Heinrich-Heine Universität Düsseldorf

supracon

ParTec

RACYICS

AdMOS

LPKF Laser & Electronics

Atotech Deutschland

Atos

GLOBALFOUNDRIES

CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik

Zurich Instruments Germany

Weitere Informationen:

"In Superposition", Artikel aus effzett-Magazin 1/2021

Online-Dossier "Quantentechnologie" des Forschungszentrums Jülich

Beteiligte Institute und Institutsbereiche am Forschungszentrum Jülich:

Peter Grünberg Institut, Institute for Quantum Computing Analytics (PGI-12)

Peter Grünberg Institut, Theoretische Nanoelektronik (PGI-2 / IAS-3)

Peter Grünberg Institut, Quantum Control (PGI-8)

Peter Grünberg Institut, JARA-Institut Quanten Information (PGI-11)

Peter Grünberg Institut, Institute for Functional Quantum Systems (PGI-13)

Peter Grünberg Institut, Quantum Nanoscience (PGI-3)

Peter Grünberg Institut, Halbleiter-Nanoelektronik (PGI-9)

Jülich Supercomputing Centre (JSC)

Zentralinstitut für Engineering, Elektronik und Analytik, Systeme der Elektronik (ZEA-2)

 

BMBF-Rahmenprogramm „Quantentechnologien – von den Grundlagen zum Markt“

Das QSolid-Projekt ist Teil des Rahmenprogramms „Quantentechnologien – von den Grundlagen zum Markt“. Das Rahmenprogramm bündelt die Ziele der deutschen Bundesregierung im Zusammenhang mit der Entwicklung von Quantentechnologien unter Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF):

1. Die Forschungslandschaft der Quantentechnologien ausbauen
2. Forschungsnetzwerke für neue Anwendungen schaffen
3. Leuchtturmprojekte für industrielle Wettbewerbsfähigkeit etablieren
4. Sicherheit und technologische Souveränität gewährleisten
5. Die internationale Zusammenarbeit gestalten
6. Die Menschen in Deutschland mitnehmen

Angestrebt wird der Transfer von Quantentechnologie in die industrielle Anwendung. Die Bundesregierung stellt dem BMBF für diese Aufgabe über eine Milliarde Euro zur Verfügung. Für mehr Informationen: www.quantentechnologien.de/qt-in-deutschland/programm.html

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Frank Wilhelm-Mauch
Projektkoordinator
Peter Grünberg Institut, Institute for Quantum Computing Analytics (PGI-12)
Tel.: +49 2461 61-6106
E-Mail: f.wilhelm-mauch@fz-juelich.de

Pressekontakt:

Tobias Schlößer
Pressereferent
Unternehmenskommunikation
Tel.: +49 2461 61-4771
E-Mail: t.schloesser@fz-juelich.de

Anmerkung: In einer früheren Version des Textes wurde das Projektbudget im ersten Absatz mit der Fördersumme (der Förderanteil des BMBF liegt bei 89,8%) verwechselt. Wir haben den Fehler korrigiert.

Letzte Änderung: 30.05.2022