Tragbare Intelligenz durch Nanoelektronik

Auf der CeBIT entwirft das Forschungszentrum Jülich die Computer von morgen

[9. März 2006]

Jülich/Hannover, 7. März 2006 - Wie die Wissensgesellschaft von morgen Informationen verarbeitet, ist Thema des ersten Jülicher Zukunftsforums, das am 10. März 2006 im Rahmen der CeBIT in Hannover stattfindet. Hochkarätige Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Unternehmen werden einen Vormittag lang über den aktuellen Stand der Forschung und Zukunftsaussichten der Informationstechnologie diskutieren. Dabei werden Jülicher Wissenschaftler ihre aktuelle Forschung, vor allem aber auch ihre Pläne und Visionen auf diesem Feld darstellen. Für Gastredner Meyya Meyyappan, Direktor am NASA Ames Forschungszentrum, ist die Suche nach neuen Wegen zur Verarbeitung der exponentiell wachsenden Informationsmengen eine der größten technologischen Herausforderungen der Gegenwart. Auf der CeBIT stößt das Forschungszentrum Jülich weit in die neuen Dimensionen der Informationstechnologie vor undüberspringt dabei auch die Grenze zwischen biologischen und elektronischen Systemen.

Die neuen Möglichkeiten, hochkomplexe Informationen zu verarbeiten, gelten als Schlüsseltechnologie mit einem enormen Marktpotenzial. Professor Rainer Waser, Sprecher des Center of Nanoelectronic Systems for Information Technology (CNI) am Forschungszentrum Jülich, sieht unzählige Anwendungen: "Voraussichtlich werden persönliche Simultanübersetzer, der 'elektronische Babelfisch', zum Beispiel im Handy in einigen Jahren zum Alltag gehören. Dazu sind enorme Rechenleistungen und Speicherkapazitäten notwendig. Langfristig werden Fahrerassistenzsysteme mit kognitiven Eigenschaften in Pkw denkbar, die entweder vor Gefahren warnen und diese abwenden oder sogar als Autopilot einsetzbar sind. Darüber hinaus werden Service- und Haushaltsroboter realisierbar, die uns eintönige und beschwerliche Arbeiten im täglichen Leben abnehmen."

Die Institute des CNI betreiben eine konzertierte und mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung abgestimmte Vorfeldforschung auf dem Gebiet der Nanoelektronik. Sie verfolgen dabei verschiedene Visionen. Sie kultivieren beispielsweise den Elektronenspin als Informationsspeicher, gestalten Halbleiterarchitekturen im Bereich von Milliardstel Metern und sind der Kopplung von biologisch-neuronalen und elektronischen Informationsträgern auf der Spur. Mit ihrem einzigartigen Profil einer exzellenten, fachübergreifenden und international anerkannten Forschung verfolgen sie die Ansätze der Nanoelektronik. Physiker, Ingenieure, Chemiker und Biologen arbeiten gemeinsam an Entwürfen des technisch Machbaren, an Lösungen für rechenintensive Anwendungen von morgen.

Das Forschungszentrum Jülich hat die Informationsverarbeitung in den Katalog der vier "Grand Challenges" aufgenommen, denen es sich mit geballter Kraft widmet. Im Jahr seines 50-jährigen Bestehens richtet es sich an den vier großen Herausforderungen der Zukunft aus, an den "Challenges" Gesundheit, Information, Umwelt und Energie. Ausgestattet mit seinen Schlüsselkompetenzen in Physik und Scientific Computing, entwirft das Forschungszentrum Jülich grundlegende Perspektiven für Wissenschaft und Anwendung.

Der Bedarf an Rechenleistung wird sich in den nächsten drei Jahren verzehnfachen. Er wird zur weiteren Miniaturisierung von Computerchips führen. Schon die nächste Chip-Generation wird mit Strukturen verwirklicht, die nicht breiter als 300 aneinander gereihte Siliziumatome sind; das sind 45 Nanometer. Doch auch Halbleiter in noch kleineren Dimensionen sind denkbar, wie Jülicher Forscher zeigen. Sie dampfen Leiterbahnen aus Silizium und Germanium auf die Siliziumoberfläche auf, die nur noch 21 Atome breit sind, also 3,3 Nanometer. Sogar Nanodrähte lassen sich herstellen, durch Ringe aus Germanium und Silizium, deren Durchmesser unter zehn Nanometern liegt. Sie sind der Grundstein für den Aufbau neuartiger komplexer Chipstrukturen.

Als Vorbild der Informationstechnologie dient die Natur. Die Effizienz, mit der die Natur Informationen verarbeitet, machen sich die Jülicher Forscher in einem europäischen Projekt zunutze. Fachübergreifend tasten sie sich an die Grenze zwischen elektrischen und biologischen Systemen heran. Sie verknüpfen kleinste Halbleiter mit Nervenzellen und übertragen die Signale der Nervenzellen in die elektrischen Systeme.

Auch zum Aufbau intelligenter Schaltungen auf Siliziumchips zitieren die Forscher die Natur. Die Anordnung von Haaren auf den Antennen der Grille ist schon heute Vorbild für Chip-Strukturen, die als Sensoren zum Messen von Luftströmen auf Oberflächen eingesetzt werden.

Die Zukunft der Computer-Hardware gehört möglicherweise dem Spin. Bisher ist der Spin, der eigene Drehimpuls des Elektrons, kaum genutzt. Funktioniert die gesamte Rechnerwelt heute noch mit dem Zustand der elektrischen Ladung des Elektrons, so öffnet der Elektronen-Spin mit seinen Effekten neue Welten. Nichtflüchtige und kompakte Speicher könnten das "Hochfahren" von Computern überflüssig machen.

Bei den Festplatten hat der Spin durch das Forschungszentrum Jülich bereits zu einer Miniaturisierung geführt. In den dünnen ferromagnetischen Schichten beeinflussen selbst kleinste Magnetfelder den Elektronen-Spin und damit auch den Widerstand. Diese Entdeckung durch den Jülicher Forscher Peter Grünberg ermöglicht den Bau der winzigen Leseköpfe, die seit einigen Jahren die Festplattentechnologie revolutioniert haben und mit denen die Speicherdichte sprunghaft angestiegen ist.

Die Nachfrage nach physikalisch maximaler Rechenleistung auf kleinstem Raum wird in allen Bereichen massiv steigen. Auf der CeBIT stellt das Forschungszentrum Jülich die Grundlagen für die Informationstechnologie von morgen vor. Die Plenardiskussion anlässlich der 50-Jahr-Feier des Forschungszentrums wird sich mit dem Potenzial beschäftigen, das die Grundlagenforschung für die langfristige Entwicklung der Nanoelektronik bereit hält - mit der Wechselwirkung zwischen Forschung und Industrie sowie mit den künftigen Chancen für den Wirtschaftsstandort Deutschland.


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Letzte Änderung: 20.05.2022